IV/5 M/E: Exzerpte und Notizen.

Juli 1845 bis Dezember 1850. 2015.

Karl Marx / Friedrich Engels: Gesamtausgabe (MEGA). Herausgegeben von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. - Vierte Abteilung: Exzerpte, Notizen, Marginalien. Bd. 5: Exzerpte und Notizen Juli 1845 bis Dezember 1850. Bearbeitet von Georgij Bagaturija, Timm Graßmann, Aleksandr Syrov† und Ljudmila Vasina. Mit einer Einführung von Matthias Bohlender. Berlin u.a.: De Gruyter Akademie Forschung 2015 | IX + 650 S. | 23 Abb. | ISBN 978-3-05-006123-8.

In dem Band werden vier von Marx verfasste Manchester-Exzerpthefte, die Auszüge aus 16 Werken von zehn Autoren enthalten, erstmals veröffentlicht. Sie entstanden im Juli und August 1845 während des gemeinsamen Studienaufenthaltes von Marx und Engels in Manchester.

Weiterhin enthält der Band diverse nach dem Sommer 1845 bis zum Jahr 1850 verfasste Manuskripte und Marginalien von Marx: Exzerpte aus François Quesnay, einen Entwurf über das Protektionssystem, die Abschrift aus einem Gedicht von Gottfried Kinkel, ein knappes Exzerpt über die Romagna sowie die Verzeichnung der Marx’schen Bibliothek in der sogenannten Daniels-Liste.

Die im zweiten Teil des Bandes versammelten, zwischen 1846 und 1850 entstan-denen Exzerpte und Notizen von Engels beinhalten Auszüge über die Geographie, Ökonomie und Kultur Schwedens und vor allem Norwegens aus „Precis de la geógraphie universelle ...“ des Geographen Conrad Malte-Brun, die Teilabschrift und Paraphrase eines Gedichtes aus Sylvester Jordans „Wanderungen aus meinem Gefängnisse ...“, ferner militärische Notizen über die Stärke verschiedener Truppen aus der Reichverfassungskampagne.

Der Band enthält Exzerpte und Notizen aus einer zentralen Phase des Wirkens von Marx und Engels. Den inhaltlichen Schwerpunkt bildet die Fortsetzung der Manchester-Hefte von Marx, deren erste Teile in Band IV/4 der MEGA veröffentlicht sind. Entstanden auf einer sechswöchigen Reise mit Engels im Sommer 1845 in den Bibliotheken Manchesters, zeigen die Exzerpthefte Marx' erste Rezeption einer in Großbritannien bereits etablierten kritischen politischen Ökonomie, deren Werke auf dem Kontinent kaum erhältlich waren.

Marx eignet sich die Begrifflichkeit der politischen Ökonomie und das Vokabular des englischen Sozialismus anhand der Originale an, die er beim Exzerpieren – auch als Sprachübung – unmittelbar ins Deutsche übersetzt. Dabei dokumentieren vor allem die umfangreichen Auszüge aus den Werken von John Francis Bray und Robert Owen neue Materialien zu den Ursprüngen der „Kritik der politischen Ökonomie“, insbesondere auch zur Mehrwerttheorie.

Dass sich Marx während seines ersten Aufenthalts in Großbritannien ausgiebig mit Robert Owen und seinem Werk beschäftigen und alles Wesentliche der Owen’schen Lehre bis hin zur Klassifikation der utopischen Gesellschaft rezipieren würde, war zu erwarten; im Kommunistischen Manifest wurde dieser utopische Sozialismus dann der Kritik unterzogen. Eine Überraschung stellt allerdings seine Auseinandersetzung mit Bray dar. Denn nicht bei Owen, sondern bei Bray sieht Marx wohl zum ersten Mal, wie seine beiden Vorhaben – die Kritik der Politik und die Kritik der politischen Ökonomie – zusammenlaufen könnten. Was Marx an Bray wohl beeindruckt hat, ist der von diesem hergestellte Zusammenhang zwischen einer Politik- und Klassen¬analyse und einer werttheoretisch fundierten Analyse kapitalistischer Arbeits- und Tauschverhältnisse. Das Zentrum von Brays Kritik der Gesellschaft und seiner kritischen politischen Ökonomie bildet der Begriff des „ungleichen Tausches“. Bray sieht in der kapitalistischen Gesellschaft den Äquivalententausch zwischen Arbeiter und Kapitalist verletzt; wenn überhaupt ein Tausch stattfindet, dann ein systematisch ungleicher. Marx sieht das zwar anders – nirgends werde im Tausch der Ware Arbeitskraft gegen Lohn die Formel von der Wertbestimmung verletzt – aber dennoch oder vielleicht gerade deswegen ist Bray für Marx der Ausgangspunkt zur Ent¬wicklung der eigenen kritischen Fassung der Wertlehre.

Darüber hinaus dokumentiert der vorliegende Band mit der sogenannten Daniels-Liste ein Verzeichnis der persönlichen Bibliothek von Marx. In dem von dem Mitglied des Bundes der Kommunisten und Kölner Arzt Roland Daniels zusammengestellten Katalog ist der Bestand der Bücher von Marx, die dieser bis 1849 gesammelt hatte, aufgeführt. Marx hatte, als er im Mai 1849 aus Köln ausgewiesen wurde, seine Bücher in die Obhut seines Freundes Daniels gegeben. Anderthalb Jahre später fertigte dieser eine sechsseitige Liste dieses Bücherbestandes an. Daniels wurde im Juni 1851 verhaftet und im Kölner Kommunistenprozess (1852) angeklagt. Er starb 1855 an den Folgen der Haft. Kurz vor seiner Verhaftung hatte er Marx’ Bücher in den Kellerräumen der Kölner Weingroßhandlung seines Bruders in Sicherheit ge¬bracht, wo sie fast ein Jahrzehnt aufbewahrt wurden. Marx erhielt die Bücher erst Anfang 1861 nach London zurück.

Mit Ausnahme der Daniels-Liste werden alle Manuskripte und Marginalien in diesem Band erstmals publiziert.